Teaching - especially you – is the greatest imaginable honour and challenge
Die These – von der Unterworfenheit des Lernens wie der ‚Schule‘ (und insbesondere jener Leute, die sie, auf allen Ebenen derselben, machen) unter gesellschaftliche, kulturelle, gar zivilisatorische, ökonomische und zahlreiche weitere, ‚harte Vorgaben‘ – mag vielleicht zunächst überzogen wirken. Manche pointierte persuasive Zuspitzungen – wie jene exemplarische, immerhin ordentlich recherchierte, von John Taylor Gatto – mögen vielleicht sogar tatsächlich etwas übertrieben bzw. rhetorisch zeitbedingt kontrastiert sein. In/Von manchen ‚Kulturen‘ kann durchaus der Eindruck entstehen, dass diesem ‚Handwerk‘ (selbst wo es als solches auf hohem Niveau anerkannt ist, bis geachtet wird) auch noch so lautes Klappern nicht hilft. Doch lässt sich nicht leugnen, dass es immer wieder Tendenzen gibt, vorhandenen Fachleuten Beschäftigung zu sichern und Konkurrenzoptionen, ja bereits Alternativen, möglichst zu verhindern, wenigstens aber zu verheimlichen. Vorhandene Strukturen sowohl erhaltende, als auch verändernde, Funktion von Bildung(seinrichtungen) sind darum keineswegs geringer zu achten, sie lassen sich jedoch nicht völlig von Paradoxien, Antagonismen bzw. Widersprüchlichkeiten frei sprechen, wie es Macht, für die (jedenfalls vorgeblich) ihrigen, durchaus gerne versucht.
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Richard Phillips Feynman [ˈfaɪnmən]
Autobiographisch läßt der Physiker von seinem Auftrag das Bildungssystem eines südamerikanischen Landes zu betrachten, berichten – und fügt schließlich ein paar Erfahrungen mit dem US-amerikanischen Californiens an.
Der würdevolle
Professor
Ich glaube[sic!], ohne zu lehren kann ich
überhaupt nicht auskommen.
Der Grund ist, ich muß
etwas haben, so daß ich
mir, wenn ich keine
Ideen habe und nicht weiterkomme,
sagen kann:
»Zumindest lebe ich; zumindest tue ich etwas;
ich leiste irgendeinen
Beitrag« - das ist rein psychologisch.
Als ich in den 40er
Jahren in Princeton war, konnte ich
sehen, was mit den
großen Geistern am Institute for Advanced
Study passierte,
die speziell wegen ihrer ungeheuren
Gehirne ausgewählt
worden waren und denen man nun die
Gelegenheit gab, in
diesem schönen Haus da am Wald zu
sitzen, ohne
unterrichten zu müssen, ohne irgendwelche
Verpflichtungen.
Diese armen Kerle konnten jetzt sitzen
und ganz ungestört
nachdenken, o. k.? Und dann fällt ihnen
eine Zeitlang
nichts ein: Sie haben jede Möglichkeit, etwas
zu tun, und es
fällt ihnen nichts ein. Ich glaube, in so einer
219
Situation beschleiclit einen ein Schuldgefühl oder eine Depression,
und man fängt an, sicli Sorgen zu machen, weil
einem nichts
einfällt. Und nichts tut sich. Es kommen immer
noch keine
Einfälle.
Es tut sich nichts,
weil es nicht genügend wirkliche Aktivität
und Herausforderung
gibt: Man hat keinen Kontakt zu
den Leuten, die
Experimente machen. Man muß nicht darüber
nachdenken, wie man
die Fragen der Studenten beantwortet.
Nichts!
[…]
Bei jeder geistigen[sic!] Arbeit gibt es Momente, in denen
alles
gut läuft und man
tolle Einfälle hat. Unterrichten zu müssen,
bedeutet eine
Unterbrechung, und deshalb ist das die
größte
Geduldsprobe, die man sich vorstellen kann. Und
dann gibt es die längeren
Phasen, in denen einem nicht viel
kommt. Man hat
keine Einfälle, und wenn man nichts zu
tun hat, macht
einen das wahnsinnig! Man kann nicht
einmal sagen: »Ich
habe ja meinen Unterricht.«
Wenn man unterrichtet,
kann man über die elementaren
Dinge nachdenken,
die man sehr gut kennt. Das macht irgendwie
Spaß und befriedigt
einen sehr. Es schadet nichts,
wenn man sie noch
einmal überdenkt. Kann man sie besser
darstellen? Gibt es
irgendwelche neuen Probleme, die mit
ihnen in
Zusammenhang stehen? Kann man irgendwelche
neuen Überlegungen
über sie anstellen? Es ist so leicht,
über die
elementaren Dinge nachzudenken; wenn einem
nichts Neues dazu
einfällt, so schadet das nichts; die Gedanken,
die man sich vorher
darüber gemacht hat, genügen für
den Unterricht.
Wenn einem aber tatsächlich etwas Neues
einfällt, freut man
sich sehr, daß man eine neue Methode
hat, die Dinge zu
betrachten.
Die Fragen der
Studenten sind oft die Quelle neuer Forschungen.
Sie stellen oft tiefgründige Fragen, über die ich
zu Zeiten
nachgedacht und die ich dann für eine Weile gewissermaßen aufgegeben habe. Es
würde mir nicht schaden,
wieder über sie
nachzudenken und zu sehen, ob ich
jetzt weiterkomme.
Die Studenten sehen vielleicht nicht,
220
1 — ;
worauf ich eine
Antwort finden möchte oder über welche
Feinheiten ich
nachdenken möchte, aber sie erinnern mich
an ein Problem,
wenn sie Fragen stellen, die in der Nachbarschaft
dieses Problems
liegen. Sich selbst an diese Dinge
zu erinnern, ist
nicht so einfach.
Ich finde also, daß der Unterricht und die Studenten dafür
sorgen, daß das Leben weitergeht, und ich würde nie
eine Position
akzeptieren, bei der mir jemand eine angenehme
Stellung
eingerichtet hat, wo ich nicht zu lehren
brauche. Niemals.
[…]
>Mathematische
Methoden der Physil< war ein idealer
Kurs für mich. Es
war das, was ich während des Krieges gemacht
hatte - Mathematik
auf die Physik anwenden. Ich
wußte, welche Methoden wirklich
nützlich waren und welche
nicht. Ich hatte
damals eine Menge Erfahrung, weil ich
vier Jahre lang so
hart gearbeitet und dabei mathematische
Tricks angewandt
hatte. So legte ich die verschiedenen Gebiete
der Mathematik dar
und wie man mit ihnen umgeht,
und die Papiere -
die Notizen, die ich im Zug machte - habe
ich immer noch.
[…]
222
Die Physik ödet
mich jetzt ein bißchen an, aber früher hatte ich Spaß
daran.
Warum hatte ich
Spaß daran? Ich habe damit gespielt. Ich
habe getan, wozu
ich Lust hatte - es hatte nichts damit zu
tun, ob es wichtig
war für die Entwicklung der Kernphysik,
sondern damit, ob
es interessant und amüsant für mich
war, damit zu
spielen. Als ich in der High School^vvai\iiabe
ich gesehen, wie
Wasser aus einem Hahn lief und wie die
Kurve, die es
beschrieb, immer flacher wurde, und ich habe
mich gefragt, ob
ich herauskriegen könnte, was diese Kurve
verursacht. Ich
fand, es war ziemlich leicht. Ich mußte es
nicht tun; es war
nicht wichtig für die Zukunft der Wissenschaft;
es hatte schon
jemand anders getan. Das machte
aber nichts; ich
erfand etwas und spielte damit zu meiner
eigenen Unterhaltung. ^
So bekam ich eine
neue Einstellung. Jetzt, wo ich ausgebrannt
bin und nie mehr etwas
leisten werde, habe ich
230
diese hübsche
Stellung an der Universität und unterrichte,
was mir ziemlichen
Spaß macht, und genauso wie ich Tausendundeine
Nacht zum Vergnügen lese,
werde ich mit der
Physik spielen, wann
immer ich es möchte, ohne mich
darum zu kümmern,
ob es auch wichtig ist.
Eine Woche später
war ich in der Cafeteria, und irgend
jemand, der
herumalbert, wirft einen Teller in die Luft. Als
der Teller in die
Luft flog, sah ich, daß er eierte, und mir fiel
auf, daß das rote Medaillon von Cornell, das auf dem Teller
war, sich drehte.
Es war ziemlich offensichtlich für mich,
daß sich das Medaillon
schneller drehte als der Teller eierte.
Ich hatte nichts zu
tun, und so fing ich an, die Bewegung
des rotierenden
Tellers zu berechnen. Ich entdeckte, daß
das Medaillon bei
sehr kleinem Winkel zweimal so schnell
rotiert wie der
Teller eiert - zwei zu eins. Das ergab sich aus
einer komplizierten
Gleichung! Dann überlegte ich: »Gibt
es eine
Möglichkeit, auf eine mehr grundsätzliche Weise zu
erkennen - indem ich
die Kräfte oder die Dynamik in Betracht
ziehe - warum es
zwei zu eins ist?«
Ich weiß nicht
mehr, wie ich es machte, aber ich rechnete
schließlich die
Bewegung der Masseteilchen aus und wie
die ganzen
Beschleunigungen sich ausgleichen, so daß sich
ein Verhältnis zwei
zu eins ergibt.
Ich weiß noch, wie
ich zu Bethe ging und sagte: »He,
Hans! Mir ist was
Interessantes aufgefallen. Der Teller hier
dreht sich so, und
der Grund dafür, daß es zwei zu eins ist,
ist...«, und ich
zeigte ihm die Beschleunigungen.
Er sagt: »Feynman,
das ist ja recht interessant, aber was
ist daran so
wichtig? Warum machen Sie das?«
»Ha!« sage ich. »Daran ist überhaupt nichts wichtig. Ich
mache das nur aus
Jux und Tollerei.« Seine Reaktion entmutigte
mich nicht; ich
hatte beschlossen, Spaß an der Physik
zu haben und zu
tun, was mir gefiel.
Ich arbeitete
weiter Gleichungen von Taumelbewegungen
aus. Dann dachte
ich darüber nach, wie sich die Bah-
231
nen von Elektronen in
der Relativität zu bewegen beginnen.
Dann ist da die
Dirac-Gleichung in der Elektrodynamik.
Und dann die
Quantenelektrodynamik. Und ehe ich
mich versah (es
ging sehr schnell), »spielte« - in Wahrheit:
arbeitete - ich mit
demselben alten Problem, das ich so
liebte und an dem
ich zu arbeiten aufgehört hatte, als ich
nach Los Alamos ging: Probleme wie die, die ich in meiner
Doktorarbeit
behandelt hatte; all diese altmodischen, wunderbaren
Sachen.
Es ging mühelos. Es
war leicht, mit diesen Dingen zu
spielen. Es war,
wie wenn man eine Flasche entkorkt: Alles
flol^ mühelos heraus.
Ich war fast versucht, mich dagegen
zu wehren! Es war
nichts wichtig an dem, was ich tat, aber
schließlich doch.
Die Diagramme und die ganze Geschichte,
wofür ich den
Nobelpreis erhielt, das kam von
dem Herummachen mit
dem eiernden Teller.
[Folgsam den geforderten Satz, anstelle eines Beispiels, kennend]
So lernte ich das Leben auf
eine Weise betrachten, die anders
ist als dort, wo ich herkomme.
Erstens, sie hatten es
hier [in Brasilien] nicht so
eilig wie ich. Und zweitens, wenn's für dich
besser ist, nimm keine
Rücksicht! Ich hielt also morgens
Vorlesungen, und nachmittags genoß ich den Strand. Und
hätte ich diese Lektion früher
gelernt, hätte ich, statt Spanisch,
gleich Portugiesisch gelernt.
Ich hatte zuerst vorgehabt,
meine Vorlesungen auf englisch
zu halten, aber dann fiel mir
etwas auf: Wenn die Studenten
mir etwas auf
portugiesisch erklärten, verstand ich
es nicht so recht, obwohl ich
mich in der Sprache einigermaßen
auskannte. Es war für mich
nicht ganz klar, ob sie
»increase« gesagt hatten oder »decrease«, not
increase«,
»not decrease« oder »decrease
slowly«. Aber
wenn sie sich
mit Englisch abmühten, sagten
sie »ahp« oder »duun«, und
ich wußte,
was gemeint war, auch wenn die Aussprache
schlecht und die Grammatik
völlig verkorkst war. So wurde
mir klar, wenn ich zu ihnen sprechen
und ihnen etwas bei-
267
bringen wollte, würde ich das
besser auf portugiesisch
tun,
ganz gleich, wie mangelhaft ich
die Sprache beherrschte.
Auf diese Weise würden sie es
leichter verstehen.
Während dieses ersten
Aufenthalts in Brasilien, der sechs
Wochen dauerte, wurde ich
eingeladen, an der Brasilianischen
Akademie der Wissenschaften
einen Vortrag über
einige Arbeiten im Bereich der
Quantenelektrodynamik zu
halten, die ich gerade
durchgeführt hatte. Ich nahm mir vor,
den Vortrag auf
portugiesisch zu halten, und zwei Studenten
am Zentrum sagten, sie würden
mir dabei helfen. Ich
fing an, meinen Vortrag in ganz
schlechtem Portugiesisch
niederzuschreiben. Ich machte
es selbst, denn wenn sie es
gemacht hätten, hätten da zu
viele Worte gestanden, die ich
nicht kannte und nicht richtig
aussprechen konnte. Ich
schrieb ihn also nieder, und
sie brachten die ganze Grammatik
in Ordnung, korrigierten Wörter
und glätteten den
Text, aber er war immer noch
auf dem Niveau, daß ich ihn
leicht lesen konnte und mehr oder
weniger wußte, was ich
sagte. Sie übten mit mir, damit
die Aussprache auch wirklich
stimmte: das »de« sollte
zwischen »deh« und »day«
liegen
- das gehörte sich einfach so.
Ich kam zur Versammlung der
Brasilianischen Akademie
der Wissenschaften, und der
erste Sprecher, ein Chemiker,
stand auf und hielt seinen
Vortrag - auf englisch.
Wollte er
höflich sein, oder was? Ich
konnte nicht verstehen was er
sagte, denn seine Aussprache
war sehr schlecht, aber vielleicht
hatten alle anderen den gleichen
Akzent, so daß sie
ihn verstehen konnten; ich weiß
es nicht. Dann steht der
nächste auf und hält seinen
Vortrag ebenfalls auf englisch!
Als ich an der Reihe war, stand
ich auf und sagte: »Es tut
mir leid; ich wußte nicht, daß die offizielle
Sprache der Brasilianischen
Akademie der Wissenschaften
Englisch ist, und
deshalb habe ich meinen Vortrag
nicht in Englisch abgefaßt.
Bitte entschuldigen Sie, aber
ich werde ihn auf portugiesisch
halten.«
Ich las also den Text, und alle
waren davon angetan.
268
Der nächste Redner sagte: »Dem
Beispiel meines Kollegen
aus den Vereinigten Staaten
folgend, werde ich meinen
Vortrag ebenfalls auf portugiesisch halten.« Soviel
ich weiß,
habe ich auf diese Weise die
Tradition des Sprachgebrauchs
an der Brasilianischen Akademie
der Wissenschaften verändert.
Ein paar Jahre später lernte
ich einen Mann aus Brasilien
kennen, der mir genau die Sätze
zitierte, die ich am Anfang
meines Vortrags vor der
Akademie gesagt hatte. Es hat also
offenbar einen ziemlichen
Eindruck auf sie gemacht.
Aber die Sprache war immer
schwierig für mich, und ich
arbeitete dauernd weiter daran,
indem ich Zeitungen las
und so weiter. Meine
Vorlesungen hielt ich weiter in einem
Portugiesisch - das ich
»Feynmans Portugiesisch« nenne,
von dem ich wußte,
daß es kein richtiges Portugiesisch war,
denn ich konnte zwar verstehen,
was ich selbst sagte, nicht
aber das, was die Leute auf der
Straße sagten.
Wel es mir bei diesem ersten Mal
in Brasilien so gut gefiel,
ging ich ein Jahr später wieder
hin, und zwar für zehn
Monate. Diesmal hielt ich
Vorlesungen an der Universität
von Rio,
[…]
[Schrecken 100%iger Diagnose und\aber ein ernsthaft policy-zuständiger hoher Ministerialbeamter]
Im Hinblick auf das
Bildungswesen in Brasilien machte
ich [R.P.F. 1951] eine sehr
interessante Erfahrung. Ich unterrichtete eine
Gruppe von Studenten, die
letzten Endes Lehrer werden
würden, denn damals gab es in
Brasilien für Leute mit einer
wissenschaftlichen Ausbildung
nicht viele Möglichkeiten.
Diese Studenten hatten schon
viele Kurse absolviert, und
dies sollte für sie ein
Fortgeschrittenen-Kurs über Elektrizität
und Magnetismus sein - die Maxwellschen Gleichungen
und so weiter.
Die Universität war in
verschiedenen, über die ganze
Stadt verstreuten Bürogebäuden
untergebracht, und der
Kurs, den ich abhielt, fand in
einem Gebäude statt, von dem
aus man die Bucht überblicken
konnte.
Ich stellte etwas sehr
Merkwürdiges fest: Ich konnte eine
279
Frage
stellen, die die Studenten sofort beantworteten. Aber
wenn ich die
Frage das nächste Mal stellte - das gleiche
Thema, die
gleiche Frage, soviel ich wußte -, konnten sie
sie
keineswegs beantworten. Einmal sprach ich beispielsweise
über
polarisiertes Licht und gab jedem von ihnen
einen
Streifen polarisierendes Material.
Ein
Polarisator läßt nur solches Licht durch, dessen
elektrischer
Vektor eine
bestimmte Richtung hat, und ich erklärte,
wie man,
ausgehend davon, ob der Polarisator dunkel
oder hell
ist, herausfinden kann, in welcher Ebene das
Licht
polarisiert wird.
Wir nahmen
zunächst zwei Streifen polarisierendes Material
und drehten
sie so lange, bis sie die größte Menge
Licht durch
ließen. Aufgrund dessen konnten wir feststellen,
daß die beiden
Streifen nun Licht durchließen, das in
der gleichen
Richtung polarisiert wurde - was durch den
einen
Polarisator ging, ging auch durch den anderen hindurch.
Aber dann
fragte ich, wie man mit einem einzigen
Stück
polarisierenden Materials die absolute Richtung der
Polarisierung
feststellen kann. Sie hatten keine Ahnung.
Ich wußte, daß man dazu ein gewisses
Maß an Findigkeit
brauchte,
deshalb gab ich ihnen einen Hinweis: »Schauen
Sie auf das
Licht, das draußen vom Wasser in der Bucht
reflektiert
wird.«
Keiner sagte
etwas.
Dann fragte
ich: »Haben Sie schon mal etwas vom
Brewsterschen Winkel
gehört?«
»Ja. Der Brewstersche Winkel ist der Winkel, bei dem
Licht, das
von einern Medium mit einem Brechungsindex
refleküert wird,
vollständig polarisiert ist.«
»Und wie ist
das Licht polarisiert, wenn es reflektiert
wird?«
»Das Licht
ist senkrecht zur Reflektionsebene polarisiert.
« Ich muß mir das sogar jetzt noch überlegen; sie wußten
es auf
Anhieb! Sie wußten sogar, daß
der Tangens des
Winkels
gleich dem Index ist!
280
Ich fragte:
»Na, und was folgt daraus?«
Immer noch
nichts. Dabei hatten sie mir gerade erzählt,
daß Licht, das
von einem Medium mit Brechungsindex wie
dem Wasser
draußen in der Bucht reflektiert wird, polarisiert
ist; sie
hatten mir sogar gesagt, wie es polarisiert ist.
Ich sagte:
»Schauen Sie durch den Polarisator auf die
Bucht dort
draußen. Und jetzt drehen Sie den Polarisator.«
»Ooh«, sagten sie, »das ist ja polarisiert!«
Nach
allerlei Nachforschungen fand ich schließlich heraus,
daß die
Studenten alles auswendig gelernt hatten, aber
nicht wußten, was es bedeutete. Wenn sie hörten: »Licht,
das von einem
Medium mit Brechungsindex reflektiert
wird«, wußten sie nicht, daß damit ein
Material wie zum
Beispiel
Wasser gemeint
war. Sie wußten nicht, daß
die
»Richtung
des Lichts« die Richtung ist, in der man etwas
sieht, wenn man
darauf schaut, und so weiter. Alles war
ganz und gar
auswendig gelernt, aber nichts war in sinnvolle
Worte
übersetzt worden. Wenn ich also fragte: »Was
ist der Brewstersche Winkel?«, war es, als
würde ich die
Antwort mit
dem richtigen Stichwort aus einem Computer
abrufen.
Wenn ich dagegen sagte: »Schauen Sie auf das
Wasser«, tat
sich nichts - denn unter »Schauen Sie auf das
Wasser!« hatten sie nichts abgespeichert.
Später
wohnte ich einer Vorlesung an der Technischen
Hochschule
bei. Die Vorlesung lief, ins Englische übersetzt,
etwa so ab:
»Zwei Körper . . , gelten als äquivalent . . . , wenn
gleiche
Drehmomente... gleiche Beschleunigung hervorrufen.
Zwei Körper
gelten als äquivalent, wenn gleiche
Drehmomente
gleiche Beschleunigung hervorrufen.« Die
Studenten
saßen alle da und nahmen ein Diktat auf, und
wenn der
Professor den Satz wiederholte, kontrollierten
sie, ob sie
auch alles richtig mitgeschrieben hatten. Dann
schrieben
sie den nächsten Satz hin und so weiter. Ich war
der einzige,
der wußte, daß der
Professor über Objekte mit
gleichen
Trägheitsmomenten sprach, und es fiel schwer,
das zu
verstehen.
281
Ich sah
nicht, wie sie daraus etwas lernen konnten. Er
stand da und
redete über Trägheitsmomente, aber es
wurde nicht
besprochen, daß eine Tür, wenn man außen
schwere
Gewichte daran hängt, schwerer zu öffnen ist, als
wenn man die
Gewichte in der Nähe der Angeln befestigt -
nichts!
Nach der
Vorlesung sprach ich mit einem der Studenten:
»Sie machen
sich all diese Notizen - was tun Sie damit?«
»Oh, wir
lernen damit«, sagte er. »Wir müssen ein Examen
ablegen.«
»Was wird
dabei geprüft?«
»Ganz
einfach. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, wie eine
der Fragen
lauten wird.« Er schaute in sein Notizbuch und
sagte:
»>Wann sind zwei Körper äquivalent?< Und die
Antwort
ist:
>Zwei Körper gelten als äquivalent, wenn gleiche
Drehmomente
gleiche Beschleunigung hervorrufen.<« Es
war also
möglich, die Prüfungen zu bestehen und dieses
ganze Zeug
zu »lernen«, ohne das geringste zu wissen, abgesehen
von dem, was
auswendig gelernt worden war.
Dann ging
ich zu einer Aufnahmeprüfung für Studenten,
die an der
Technischen Hochschule studieren wollten. Es
war eine
mündliche Prüfung, und ich durfte zuhören. Einer
der
Studenten war absolute Spitze: Er beantwortete alles
im
Handumdrehen! Die Prüfer fragten, was Diamagnetismus
ist, und
seine Antwort war perfekt. Dann fragten sie:
»Wenn Licht
in einem Winkel durch ein Material von bestimmter
Dicke und
mit einem bestimmten Index geschickt
wird, was
geschieht dann mit dem Licht?«
»Es tritt
parallel zu sich selbst aus - verschoben.«
»Und um
wieviel ist es verschoben?«
»Das weiß
ich nicht, aber ich kann es ausrechnen.« Also
rechnete er
es aus. Er war sehr gut. Aber ich hatte jetzt
meine
Zweifel.
Nach dem
Examen ging ich zu diesem gescheiten jungen
Mann und
erklärte ihm, ich sei aus den Vereinigten Staaten
und wolle ihm ein paar Fragen stellen, die am Ergebnis sei-
282
ner Prüfung
nicht das geringste ändern würden. Die erste
Frage, die
ich stellte, war: »Können Sie mir ein Beispiel für
eine
diamagnetische Substanz geben?«
»Nein.«
Dann fragte
ich: »Angenommen, dieses Buch wäre aus
Glas, und
ich würde durch es hindurch etwas betrachten,
das auf dem
Tisch steht, was würde dann mit dem Bild geschehen,
wenn ich das
Glas neigen würde?«
»Es würde
verschoben werden, und zwar um das Doppelte
des Winkels,
um den Sie das Buch gedreht haben.«
Ich sagte:
»Sie haben das doch nicht mit einem Spiegel
verwechselt,
oder?«
»Nein, Sir!«
Gerade hatte
er in der Prüfung gesagt, d a ß das Licht parallel
zu sich
selbst verschoben würde. Folglich würde sich
das Bild zur
Seite bewegen, aber nicht um irgendeinen Winkel
gedreht
werden. Er hatte sogar ausgerechnet, um wieviel
es
verschoben würde, aber es war ihm nicht klar, daß
ein Stück
Glas ein Material mit einer Brechzahl ist und daß
seine
Berechnung auf meine Frage zutraf.
Ich hielt an
der Technischen Hochschule einen Kurs über
mathematische
Methoden in der Physik ab, in dem ich zeigen
wollte, wie
man Probleme durch die Trial-and-error-
Methode
löst. Das ist etwas, was die Leute gewöhnlich nicht
lernen, und
deshalb begann ich mit einfachen arithmetischen
Beispielen,
um die Methode zu veranschaulichen. Ich
war
überrascht, daß nur ungefähr acht von den etwa
achtzig
Studenten
die erste Aufgabe abgaben. Deshalb hielt ich
einen
strengen Vortrag darüber, daß man es wirklich probieren
müsse pnd sich nicht einfach zurücklehnen und zuschauen
dürfe, wieJch es machte.
Nach dem
Vortrag kam eine kleine Abordnung der Studenten
zu mir, um
mir klarzumachen, daß ich keine
Ahnung hätte
von dem Vorwissen, das sie hätten, sie könnten
studieren,
ohne Aufgaben zu lösen, sie hätten bereits
Arithmetik
gehabt, und dieser Kram sei unter ihrer Würde.
283
Ich ging
also weiter im Stoff, und ganz gleich wie kompliziert
oder
anspruchsvoll die Arbeit wurde, sie gaben nie
irgend etwas ab. Natürlich war mir klar,
woran das lag: Sie
konnten die
Aufgaben nicht lösen!
Etwas
anderes, wozu ich sie nie bringen konnte, war, Fragen
zu stellen.
Schließlich hat mir das ein Student erklärt:
»Wenn ich
Ihnen während der Vorlesung eine Frage stelle,
sagen die
anderen mir später: Warum vergeudest du im
Kurs unsere
Zeit? Wir versuchen etwas zu lernen. Und du
hältst ihn
mit einer Frage auf.<«
Es ging
darum, den anderen immer um eine Nasenlänge
voraus zu
sein, wobei niemand wußte, was vorging, und
jeder den
anderen von oben herab behandelte, als wüßte er
es. Sie
täuschten alle Wissen vor, und wenn ein Student nur
einen
Augenblick zugab, daß etwas verwirrend war, indem
er eine
Frage stellte, wurden die anderen überheblich, taten
so, als sei
es überhaupt nicht verwirrend, und sagten ihm,
er
verschwende ihre Zeit.
Ich
erklärte, wie nützlich es sei, zusammenzuarbeiten,
die Fragen
zu diskutieren, sie zu besprechen, aber das wollten
sie auch
nicht, denn sie hätten ja ihr Gesicht verloren,
wenn sie
jemand anderen hätten fragen müssen. Es war
eine
Schande! Die ganze Arbeit, die sie sich machten, intelligente
Leute, aber
sie brachten sich selber in diesen seltsamen
Geisteszustand,
diese merkwürdige, in sich leerlaufende
»Bildung«,
die sinnlos ist, völlig sinnlos!
Am Ende des
akademischen Jahres baten mich die Studenten,
einen
Vortrag über meine Lehrerfahrungen in Brasilien
zu halten.
Zu dem Vortrag sollten nicht nur Studenten,
sondern auch
Professoren und Regierungsbeamte
kommen, so daß ich ihnen das Versprechen abnahm, daß
ich sagen
könne, was ich wolle. Sie meinten: Aber sicher.
Natürlich.
Das ist hier ein freies Land.«
Ich kam also
an und hatte das Lehrbuch zur Einführung
in die
Physik bei mir, das sie im ersten College-Jahr verwendeten.
Sie hielten
dieses Buch für besonders gut, weil es
284
in
verschiedenen Schriften gedruckt war - fett für die wichtigsten
Dinge, die
man sich einprägen soll, halbfett für weniger
Wichtiges
und so weiter.
Sofort sagte
jemand: »Sie werden doch nichts Schlechtes
über das
Lehrbuch sagen, oder? Der Verfasser ist hier, und
es gilt
allgemein als vorzügliches Lehrbuch.«
»Sie haben
doch versprochen, daß ich alles sagen kann.«
Der
Vortragssaal war voll. Ich begann, indem ich die Wissenschaft
als Verstehen
des Verhaltens der Natur definierte.
Dann stellte
ich die Frage: »Weshalb wird Wissenschaft gelehrt?
Natürlich
kann sich ein Land so lange nicht für zivilisiert
halten, bis
. . . und bläh, bläh, bläh.« Sie saßen alle da
und nickten,
denn das ist ja genau das, was sie denken.
Dann sagte
ich: »Das ist natürlich absurd, denn warum
sollten wir
meinen, wir müßten mit anderen Ländern mithalten?
Wir müssen
es aus einem guten Grund tun, einem
sinnvollen Grund; nicht
bloß weil es andere Länder auch
tun.« Dann sprach ich über den Nutzen der Wissenschaft
und über
ihren Beitrag zur Verbesserung der menschlichen
Lebensbedingungen
und all das - ich nahm sie wirklich ein
bißchen auf den
Arm.
Dann sagte
ich: »Der Hauptzweck meines Vortrags ist,
Ihnen zu
beweisen, daß in Brasilien keine Wissenschaft
gelehrt
wird!«
Ich konnte
sehen, wie sie unruhig wurden, weil sie dachten:
»Wie bitte?
Keine Wissenschaft? Das ist ja völlig irre!
Wir haben
doch all diese Universitätsveranstaltungen.«
So erzählte
ich ihnen, eines der ersten Dinge, die mir auffielen,
als ich nach
Brasilien karrt, sei gewesen, daß man in
den
Buchläden Kinder aus de/Grundschule sieht, die Physikbücher
kaufen. Es
gebe in Brasilien so viele Kinder, die
Physik lernten, und sie begännen damit viel früher als die
Kinder in
den Vereinigten Staaten, so daß es erstaunlich
sei, daß es in Brasilien nicht viele Physiker gebe - woran
das liege?
So viele Kinder arbeiteten so hart, und nichts
komme dabei
heraus.
285
Dann zog ich
einen Vergleich mit einem Gräzisten, der
die
griechische Sprache liebt, aber weiß, daß in seinem
eigenen Land
nicht viele Kinder Griechisch lernen. Doch
dann kommt
er in ein anderes Land und freut sich, daß alle
Leute
Griechisch lernen - sogar die kleinen Kinder in der
Grundschule.
Er geht zur Prüfung eines Studenten, der seinen
Abschluß in
Griechisch machen will, und fragt ihn:
»Was hat
Sokrates über das Verhältnis von Wahrheit und
Schönheit
gelehrt?« - und der Student kann nicht antworten.
Dann fragt
er ihn: »Was hat Sokrates im Dritten Symposion
zu Piaton gesagt?«, und der Student
strahlt und:
»Rrrrrrrrrr-t« - rasselt er alles, Wort für Wort, in
wunderschönem
Griechisch
herunter, was Sokrates gesagt hat.
Aber worüber
Sokrates im Dritten Symposium gesprochen
hat, war eben
das Verhältnis von Wahrheit und
Schönheit!
Was dieser Gräzist entdeckt, ist, daß die
Studenten in
dem anderen
Land Griechisch lernen, indem sie zuerst lernen,
die
Buchstaben auszusprechen, dann die Worte und
dann Sätze
und Absätze. Sie sind imstande, Wort für Wort
zu reziüeren, was Sokrates gesagt hat, ohne sich darüber
klar zu
sein, daß diese griechischen Worte wirklich etwas
bedeuten. Für den
Studenten sind das alles bedeutungslose
Laute.
Niemand hat sie je in Worte übersetzt, die die Studenten
verstehen
können.«
Ich sagte:
»So wirkt das auf mich, wenn ich sehe, wie Sie
hier in
Brasilien den Kindern >Wissenschaft< beibringen.«
(Ein
Knalleffekt, was?)
Dann hielt
ich das Lehrbuch zu Einführung in die Physik,
das sie
benutzten, in die Höhe. »In diesem Buch werden nirgendwo
Resultate
von Experimenten erwähnt, außer an
einer
Stelle, wo es um eine Kugel geht, die eine schräge
Ebene
hinabrollt, wo steht, wie weit die Kugel nach einer
Sekunde,
zwei Sekunden, drei Sekunden und so weiter gerollt
ist. Die
Zahlen weisen >Abweichungen< auf - das heißt,
wenn man sie
sich anschaut, denkt man, man hat es mit Er-
286
gebnissen von
Experimenten zu tun, denn die Zahlen liegen
ein wenig
über oder unter den theoretischen Werten.
Das Buch
weist sogar darauf hin, daß man die Abweichungen
beim
Experiment korrigieren muß - sehr schön. Das
Ärgerliche
ist bloß, wenn man den Wert der Beschleunigungskonstante
aus diesen
Werten berechnet, erhält man
die richtige
Antwort. Aber eine Kugel, die eine schräge
Ebene
hinunterrollt, hat, wenn man das tatsächlich durchführt,
eine
Trägheit, die bewirkt, daß sie sich dreht, und
wird, wenn
man das Experiment wirklich macht, wegen der
zusätzlichen
Energie, die in die Drehung eingeht, nur fünf
Siebtel des
richtigen Wertes liefern. Folglich stammt dieses
einzige
Beispiel für experimentelle >Resultate< aus einem
vorgetäuschten Experiment.
Niemand hat eine solche Kugel
rollen
lassen, denn dabei wären niemals diese Resultate
herausgekommen!
Ich habe
noch etwas entdeckt«, fuhr ich fort. »Wenn ich
herumblättere
und das Buch irgendwo aufschlage und die
Sätze auf
der Seite vorlese, kann ich zeigen, was los ist -
warum das
keine Wissenschaft ist, sondern immer und
überall nur dazu
dient, auswendig gelernt zu werden. Ich
bin deshalb
mutig genug, jetzt, vor dieser Hörerschaft, das
Buch
durchzublättern, irgendwo aufzuschlagen, vorzulesen
und es Ihnen
zu zeigen.«
Und das tat
ich dann. Rrrrrrrrrr-t - ich steckte
meinen
Finger
hinein, schlug auf und fing an zu lesen: »Tribolumineszenz.
Tribolumineszenz
ist das Licht, das emittiert wird,
wenn
Kristalle zerkleinert werden . . .«
Ich sagte:
»Und, ist das Wissenchaft? Nein! Man bekommt
nur die
Bedeutung eines Wortes durch andere
Worte
erklärt. Von der Natur - welche Kristalle Licht erzeugen,
wenn man sie
zerkleinert, warum sie Licht erzeugen -
war
überhaupt nicht die Rede. Ist auch nur ein Student
nach Hause
gegangen und hat es versuchf? Unmöglich.
Wenn Sie
aber statt dessen schreiben würden: Wenn
man ein
Stück Zucker nimmt und es im Dunkeln mit einer
287
Zange
zerdrückt, kann man einen bläulichen Blitz sehen.
Dies ist
auch bei einigen anderen Kristallen der Fall. Niemand
weiß, warum
das so ist. Das Phänomen wird als >Triboluminiszenz<
bezeichnet!
Dann wird jemand nach Hause
gehen und es
versuchen. Dann wird eine Erfahrung mit der
Natur
gemacht.« Ich verwendete dieses Beispiel, um ihnen
etwas zu
zeigen, aber ich hätte das Buch auch irgendwo anders
aufschlagen
können; es war überall so.
Schließlich
sagte ich, ich sähe nicht, wie irgend
jemand
durch dieses
in sich leerlaufende System, in dem Leute Examen
bestehen und
anderen beibringen, Examen zu bestehen,
aber niemand
irgend etwas weiß,
ausgebildet werden
könne.
»Trotzdem«, sagte ich, »muß ich mich irren. Zwei
Studenten in
meinem Kurs waren recht gut, und einer der
Physiker,
die ich kenne, hat seine ganze Ausbildung in Brasilien
absolviert.
Demnach muß es für einige Leute möglich
sein, sich
durch das System hindurchzuarbeiten, wie
schlecht es
auch sein mag.«
Nachdem ich
den Vortrag beendet hatte, stand der Leiter
der
Abteilung für wissenschaftliche Ausbildung auf und
sagte: »Mr.
Feynman hat uns einige Dinge gesagt, die wir
nicht gern
hören, aber mir scheint, daß er die Wissenschaft
wirklich
liebt und seine Kritik ernst meint. Deshalb denke
ich, wir sollten
auf ihn hören. Ich bin hierhergekommen,
weil ich wußte, daß unser Erziehungssystem
\ etwas
krankt; was
ich gelernt habe, ist, daß wir es mit einem
Krebsgeschwür
zu
tun haben!« - und er setzte sich.
Das erlaubte
es anderen Leuten, frei ihre Meinung zu äußern,
und es gab
große Aufregung. Jeder stand auf und
machte
Vorschläge. Die Studenten bildeten einen Ausschuß,
um die
Vorlesungen im vorhinein zu
vervielfältigen,
und sie
organisierten die Bildung anderer Ausschüsse, die
dies und
jenes übernehmen sollten.
Dann
passierte etwas, das für mich völlig unerwartet
kam. Einer
der Studenten stand auf und sagte: »Ich bin
einer der
beiden Studenten, von denen Mr. Feynman am
288
Ende seines
Vortrags gesprochen hat. Ich bin nicht in Brasilien,
sondern in
Deutschland ausgebildet worden und erst
dieses Jahr
nach Brasilien gekommen.«
Der andere
Student aus dem Kurs, der gut gewesen war,
hatte etwas
Ähnliches zu sagen. Und der Professor, den ich
erwähnt
hatte, stand auf und sagte: »Ich habe meine Ausbildung
hier in Brasilien
absolviert, und zwar während des
Krieges, als
glücklicherweise alle Professoren die Universität
verlassen
hatten, so daß ich mir alles, was ich gelernt
habe, selbst
angeeignet habe. Deshalb bin ich nicht wirklich
im brasilianischen
System ausgebildet worden.«
Das hatte
ich nicht erwartet. Ich wußte, daß
das System
schlecht
war, aber 100 Prozent - das war schlimm!
Da ich
innerhalb eines von der amerikanischen Regierung
geförderten
Programms nach Brasilien gegangen war,
wurde ich
vom State Department aufgefordert, einen Bericht
über meine
Erfahrungen in Brasilien zu schreiben,
und ich
schrieb die wichtigsten Punkte des Vortrags, den
ich gehalten
hatte, nieder. Später kam mir zu Ohren, daß irgend
jemand im
State Department so darauf reagiert hatte:
»Das zeigt,
wie gefährlich es ist, jemand nach Brasilien zu
schicken,
der so naiv ist. Ein dummer Bursche; er kann nur
Ärger
machen. Er hat die Probleme nicht verstanden.«
Ganz im
Gegenteil! Ich denke, daß dieser Jemand im State
Department
naiv war. Denn bloß weil er ein Vorlesungsverzeichnis
mit
Inhaltsangaben gesehen hatte, glaubte er, das
sei schon
eine Universität.
Der Mann der
tausend Zungen
Als ich in
Brasilien war, hatte ich mich bemüht, die Landessprache
zu lernen
und beschlossen, meine Physik-Vorlesungen
auf
portugiesisch zu halten. Bald nachdem ich
ans
Caltech gekommen
war, wurde ich zu einer Party eingeladen,
die
Professor Bacher gab. Bevor ich zu der Party kam,
hatte Bacher
zu den Gästen gesagt: »Dieser Feynman hält
sich für
weltgewandt, bloß weil er ein bißchen Portugiesisch
gelernt hat,
dem werden wir's jetzt mal zeigen: Mrs.
Smith hier
(sie wirkt ganz wie eine Asiatin) ist in China aufgewachsen.
Sie soll
Feynman auf chinesisch begrüßen.«
Ich komme
nichtsahnend auf die Party, und Bacher stellt
mich all
diesen Leuten vor: »Mr. Feynman, dies ist
Mr. Soundso.« /
»Sehr erfreut,
Mr. Feynman.«
»Und dies
ist Mr. Soundso.«
»Angenehm,
Mr. Feynman.«
»Und dies
ist Mrs. Smith.«
»Ai, chung, ngongJia!«
sagt
sie und verbeugt sich.
Ich bin so
überrascht, daß ich denke, das einzige, was ich
tun kann,
ist, im gleichen Sül zu antworten. Ich verbeuge
mich höflich
vor ihr und sage völlig zuversichtlich: »Ah
chingj'ong Jien!«
»Oh, mein
Gott!« ruft sie, ganz aus der Fassung. »Ich
wußte, daß das passieren würde - ich spreche Mandarin
und er
Kantonesisch!«
Bücher
nach ihrem Einband beurteilt
[…]
Ich hielt zu der Zeit [in den frühen
sechziger-Jahren] eine Reihe von Physikvorlesungen für Erstsemester, und nach
einer Vorlesung sagte Tom Har vey, der mir beim
Aufbauen der Versuche half: »Sie müßten mal sehen,
was in den Schulbüchern mit der Mathematik passiertl
Meine Tochter bringt eine Menge verrücktes Zeug mit nach Hause!«
Ich achtete nicht besonders auf das, was er
sagte.
Aber am nächsten Tag erhielt ich einen Anruf von
einem recht bekannten Anwalt hier in Pasadena, Mr. Norris, der zu der Zeit im
Staatlichen Bildungsbeirat war. Er fragte mich, ob ich in der Staatlichen
Lehrplankommission arbeiten wollte, die die neuen Schulbücher für den
Bundesstaat Kalifornien auszuwählen hatte. Es gab nämlich ein Gesetz in dem
Bundesstaat, wonach alle Schulbücher, die von Kindern in staatlichen Schulen
benutzt wurden, vom Staatlichen Bildungsbeirat ausgewählt sein mußten. Deshalb war eine Kommission eingerichtet worden,
die sich die Bücher ansehen und den Beirat bei der Auswahl beraten sollte.
Es ergab sich, daß
viele von den Büchern eine neue Methode des Arithmetikunterrichts
zugrunde legten, die als »Neue Mathematik« bezeichnet wurde; und da gewöhnlich
die einzigen, die sich die Bücher ansahen, Lehrer oder Leute von der
Schulbehörde waren, hielt man es für eine gute Idee, daß
jemand, der die Mathematik wissenschaftlich anwendet, der weiß, was am Ende
dabei herauskommt und zu welchem Zweck sie unterrichtet wird, bei der Bewertung
der Schulbücher behilflich war.
Ich muß damals
Schuldgefühle gehabt haben, weil ich nicht mit der Regierung zusammenarbeitete,
denn ich willigte ein, in diese Kommission zu gehen.
Sofort bekam ich Briefe und Telephonanrufe
von Verlagen. Da hieß es etwa: »Wir freuen uns, davon Kenntnis zu erhalten, daß Sie in der Kommission sind, denn es war immer schon
unser Anliegen, daß ein Wissenschaftler. ..«,
384
und: »Es ist ausgezeichnet, daß
ein Wissenschaftler in der Kommission sitzt, denn unsere Bücher sind wissenschaftlich
orientiert ... « Aber sie äußerten auch Dinge wie: »Wir möchten Ihnen
erläutern, worum es in unserem Buch geht ... «, und: »Wir sind Ihnen gerne in
jeder Weise behilflich, unsere Bücher zu beurteilen ... « Das kam mir irgendwie
verrückt vor. Ich bin ein objektiver[sic!]
Wissenschaftler, und da die Schulkinder nur die Bücher bekommen (und die Lehrer
das Lehrerhandbuch, das ich ebenfalls erhielt), schien mir jede zusätzliche
Erklärung von seiten der Firma eine Verzerrung zu
sein. Deshalb wollte ich mit keinem der Verlage reden und antwortete stets:
»Sie brauchen mir nichts zu erklären; ich bin sicher, daß
die Bücher für sich sprechen werden.«
Ich vertrat einen bestimmten Bezirk, der den
größten Teil der Region von Los Angeles umfaßte,
nicht aber die Stadt selbst; diese wurde von einer sehr netten Dame aus der
Schulverwaltung namens Mrs. Whitehouse
vertreten. Mr. Norris schlug vor, ich solle sie treffen und mir von ihr
erklären lassen, was die Kommission tat und wie sie funktionierte.
Mrs. Whitehouse berichtete mir zunächst, was in der nächsten
Sitzung besprochen werden sollte (es hatte bereits ein Treffen stattgefunden;
ich war zu spät bestellt worden). »Es wird um die Zählzahlen gehen.« Ich wußte nicht, was das war,
aber es stellte sich heraus, daß es sich um das
handelte, was ich für gewöhnlich als ganze Zahlen bezeichnete. Es gab für alles
andere Namen, so daß ich von Anfang an eine Menge
Schwierigkeiten hatte.
Sie erzählte mir, wie die Mitglieder der
Kommission normalerweise zu einer Einschätzung der neuen Schulbücher kamen.
Sie erhielten von jedem Buch relativ viele Exemplare und gaben sie an Lehrer
und an Beamte der Schulbehörde in ihrem Bezirk weiter. Dann bekamen sie
Berichte zurück, in denen stand, was diese Leute von den Büchern hielten. Da
ich nicht viele Lehrer oder Beamte der Behörde
385
kannte und weil ich fand, ich könne mir durch
Lektüre eine eigene Meinung bilden, entschloß ich
mich, alle Bücher selbst zu lesen. (Es gab einige Leute in meinem Bezirk, die
erwartet hatten, sich die Bücher ansehen zu können, und die Möglichkeit haben
wollten, ihre Meinung zu äußern. Mrs. Whitehouse bot an, deren Berichte zusammen mit ihren
eigenen einzureichen, so daß die Leute sich nicht vor
den Kopf gestoßen fühlten und ich mir keine Sorgen über etwaige Beschwerden
machen mußte. Sie waren zufrieden, und ich bekam kaum
Ärger.)
Ein paar Tage später rief mich jemand aus dem
Buchlager an und sagte: »Wir können Ihnen jetzt die Bücher schicken, Mr.
Feynman; es sind an die dreihundert Pfund.« Ich
kriegte einen Schreck.
»Das geht in Ordnung, Mr. Feynman; wir besorgen
jemanden, der Ihnen beim Lesen hilft.«
Ich konnte mir nicht vorstellen, wie das gehen
sollte: entweder liest man sie, oder man liest sie nicht. Ich ließ unten in
mein Arbeitszimmer ein zusätzliches Bücherbord einbauen (es waren über fünf
Meter Bücher) und fing an, alle Bücher zu lesen, über die in der nächsten
Sitzung diskutiert werden sollte. Wir wollten mit den Büchern für die Grundschule
beginnen.
Es war eine ziemliche Plackerei, und ich saß
dauernd unten im Keller und arbeitete. Meine Frau sagt, sie habe in dieser
Zeit wie auf einem Vulkan gelebt. Eine Weile war es still, aber dann gab es
plötzlich, »KKKKKKRRRRRRCHCHCHCHCHCH!!!!« - eine
Riesenexplosion von dem »Vulkan« unten im Keller.
Das kam daher, daß die
Bücher so miserabel waren. Sie waren fehlerhaft. Sie waren eilig
zusammengestoppelt. Sie wollten genau sein, doch sie verwendeten Beispiele (so
etwa Autos auf der Straße für »Mengen«), die beinah o. k. waren, an denen aber
immer irgend etwas nicht
stimmte. Die Definitionen waren nicht sorgfältig. Alles war etwas unklar - die
Leute, die das geschrieben hatten, waren nicht
386
helle genug, um zu verstehen, was Genauigkeit
heißt. Sie täuschten es nur vor. Sie lehrten etwas, was sie selbst nicht
verstanden «und was eigentlich für Kinder dieses Alters nutzlos war.
Ich begriff, worum es ihnen ging. Viele Leute
dachten, nach dem Sputnik seien wir hinter den Russen zurück, und einige
Mathematiker wurden um Rat gefragt, wie man unter Verwendung der recht
interessanten modernen mathematischen Begriffe Mathematik unterrichten könne.
Die Kinder fanden Mathematik langweilig, und es ging darum, sie ihnen
interessanter zu machen.
Dazu ein Beispiel: Es war etwa von verschiedenen
Zahlenbasen die Rede - Fünf, Sechs und so weiter -, um die Möglichkeiten
aufzuzeigen. Für ein Kind, das Basis Zehn verstünde, wäre das interessant -
etwas, das seinen Geist anregt. Aber was sie in diesen Büchern daraus gemacht
hatten, war, daß jedes Kind eine andere Basis lernen
mußte! Und dann kam der übliche Horror: »Überführe
diese Zahlen, die als Funktionen von Basis Sieben dargestellt sind, in
Funktionen von Basis Fünf.« Überführungen von einer
Basis in eine andere sind etwas völlig Nutzloses. Wenn man's kann, ist es
vielleicht unterhaltend; kann man es nicht, mag man's getrost vergessen. Es hat
überhaupt keinen Sinn.
Jedenfalls schaue ich mir diese Bücher an, alle
diese Bücher, und in keinem steht irgend
etwas darüber, wie die Arithmetik in der Wissenschaft verwendet
wird. Wenn überhaupt Beispiele für die Verwendung der Arithmetik gegeben
werden (am häufigsten steht da dieser abstrakte neumodische Unsinn), drehen
sie sich um Dinge wie den Kauf von Briefmarken.
Schließlich komme ich zu einem Buch, in dem es
heißt: »In der Wissenschaft wird in vielfältiger Weise von der Mathematik
Gebrauch gemacht. Wir geben dir ein Beispiel dafür aus der Astronomie, der
Wissenschaft von den Sternen.« Ich blättere um, und da
steht: »Rote Sterne haben eine Temperatur von viertausend Grad, gelbe Sterne
haben eine
387
Temperatur von fünftausend Grad ... « - so weit,
so gut. Dann geht es weiter: »Grüne Sterne haben eine Temperatur von
siebentausend Grad, blaue Sterne haben eine Temperatur von zehntausend Grad
und violette Sterne eine Temperatur von ... (und es folgen irgendwelche hohen
Zahlen).« Es gibt keine grünen oder violetten Sterne,
aber die Zahlen für die anderen sind einigermaßen korrekt. Es stimmt ungefähr -
aber damit fängt der Ärger schon an. Und so war es mit allem: Alles war von
jemandem geschrieben worden, der keine Ahnung hatte, wovon er sprach, und
darum war es ein klein bißchen falsch, und zwar
immer! Und wie wir einen guten Unterricht halten sollen, wenn wir Bücher von
Leuten benutzen, die nicht ganz begreifen, worüber sie reden, entzieht sich
meinem Verständnis. Ich weiß nicht, warum, aber die Bücher sind miserabel;
DURCHWEGS MISERABEL!
Trotzdem, ich bin froh über dieses Buch, denn es
ist das erste Beispiel für die Anwendung der Arithmetik in der Wissenschaft.
Ich bin ein bißchen traurig, als ich das über die
Sterntemperaturen lese, aber nicht sehr, denn mehr oder weniger stimmt es ja -
es steckt bloß ein kleiner Fehler darin. Dann kommt die Liste mit Aufgaben. Da
heißt es: »John und sein Vater gehen nach draußen, um die Sterne zu betrachten.
John sieht zwei blaue Sterne und einen roten Stern. Sein Vater sieht einen
grünen Stern, einen violetten Stern und zwei gelbe Sterne. Wie hoch ist die
Gesamttemperatur der Sterne, die John und sein Vater sehen?«
- und ich explodierte vor Ärger.
Meine Frau sprach von dem Vulkan unten im
Keller. Aber es waren keine vereinzelten Ausbrüche meinerseits: es war
andauernd so. Eine Absurdität nach der anderen! Es hat überhaupt keinen Sinn,
die Temperaturen von zwei Sternen zu addieren. Niemand tut das je, es sei denn
vielleicht, um die Durchschnittstemperatur aller Sterne zu ermitteln, aber
nicht, um ihre Gesamttemperatur herauszufinden! Es war schlimml
Das Ganze war nur ein Spiel, um
388
einen etwas addieren zu lassen,
und sie verstanden nicht, worüber sie sprachen. Es war, wie wenn man Sätze mit
ein paar Satzfehlern liest, und mit einem Mal ist ein ganzer Satz verkehrtherum
gedruckt. So ähnlich verhielt es sich hier mit der Mathematik. Einfach hoffnungslos!
Dann nahm ich zum erstenmal
an einer Sitzung der Kommission teil. Die anderen Mitglieder hatten für einige
der Bücher Bewertungen abgegeben und fragten mich nach meiner Einschätzung.
Meine Bewertungen unterschieden sich häufig von ihren, und sie fragten: »Warum
haben Sie das Buch so niedrig bewertet?«
'Ich antwortete, bei dem Buch gebe es auf Seite soundsoviel das und das Problem - ich hatte mir Notizen
gemacht. Sie stellten fest, daß ich eine wahre
Goldmine war: Ich sagte ihnen in allen Einzelheiten, was an den Büchern gut und
schlecht war; ich konnte meine Bewertungen begründen.
Wenn ich sie fragte, warum sie irgendein Buch so
hoch eingestuft hatten, fragten sie zurück: »Sagen Sie uns doch mal, wie Sie
das Buch fanden.« Ich bekam nie heraus, warum sie irgend etwas so bewerteten, wie
sie es taten. Statt dessen fragten sie mich immer
wieder nach meiner Meinung.
Wir kamen zu einem bestimmten Buch, das zu einer
Reihe von drei sich ergänzenden Büchern gehörte, die alle aus demselben Verlag
kamen, und sie wollten wissen, was ich davon hielt.
Ich sagte: »Das Buchlager hat mir dieses Buch
nicht geschickt, aber die anderen beiden waren ganz gut.«
Jemand versuchte die Frage zu wiederholen: »Wie finden Sie's denn?«
»Ich sagte, man hat es mir nicht geschickt,
deshalb kann ich darüber kein Urteil abgeben.«
Der Mann aus dem Buchlager war da, und er sagte:
»Entschuldigung; ich kann das erklären. Ich habe Ihnen das Buch nicht
geschickt, weil es noch nicht fertig war. jede
389
Einreichung muß zu
einem bestimmten Zeitpunkt hier eingegangen sein, und der Verlag hatte sich
damit um ein paar Tage verspätet. Deshalb sind uns nur die Umschläge mit
Blindbänden zugegangen. Die Firma hat eine Mitteilung geschickt, sich
entschuldigt und ihre Hoffnung ausgedrückt, daß ihre
aus drei Büchern bestehende Reihe berücksichtigt werden könne, auch wenn das
dritte später eintreffe.«
Es stellte sich heraus, daß
das Buch mit den leeren Seiten von einigen anderen Mitgliedern bewertet worden
war! Sie wollten nicht glauben, daß es sich um einen
Blindband handelte, weil ihnen doch Bewertungen vorlagen. Tatsächlich lag die
Bewertung bei dem fehlenden Buch sogar noch ein bißchen
höher als bei den beiden anderen. Die Tatsache, daß
in dem Buch nichts stand, hatte nichts mit der Bewertung zu tun.
Ich glaube, der Grund für all das ist, daß das System folgendermaßen arbeitet: Man verteilt an
alle möglichen Leute Bücher; aber die Leute haben zu tun; sie kümmern sich
nicht darum und denken: »Na ja, das Buch wird ja von vielen Leuten gelesen, es
macht also nichts.« Und sie schreiben irgendeine Zahl
hin - zumindest einige von ihnen; nicht alle, aber einige. Wenn man dann seine
Berichte bekommt, weiß man nicht, warum für, ein bestimmtes Buch weniger
Berichte vorliegen als für die anderen - das heißt, bei einem Buch haben
vielleicht zehn, bei diesem aber nur sechs Leute einen Bericht geschrieben -,
und deshalb ermittelt man bei denen, die einen Bericht geschrieben haben, den
Durchschnittswert; bei denen, die keinen Bericht geschrieben haben, ermittelt
man den Durchschnitt aber nicht, und auf diese Weise erhält man eine annehmbare
Zahl. Bei dem dauernden Durchschnittnehmen geht völlig unter, daß überhaupt nichts zwischen den
Buchdeckeln ist!
Ich legte mir diese Theorie zurecht, weil ich
sah, was in der Lehrplankommission vorging: Bei dem Blindband legten nur sechs
von den zehn Mitgliedern Berichte vor, während bei den anderen Büchern acht
oder neun Leute Angaben [390]
machten. Und wenn sie bei den sechs Leuten den
Durchschnitt bildeten, bekamen sie einen ebenso guten Durchschnitt, als wenn
sie ihn bei acht oder neun Leuten ermittelt hätten. Es war ihnen sehr peinlich,
als sie entdeckten, daß sie für dieses Buch
Bewertungen abgegeben hatten, und mir gab das etwas mehr Selbstsicherheit. Wie
sich herausstellte, hatten sich die anderen Mitglieder der Kommission eine
Menge Arbeit damit gemacht, die Bücher zu verteilen und die Berichte
einzusammeln, und sie waren zu Veranstaltungen gegangen, bei denen die Verlage
die Bücher erklärten, ehe sie gelesen wurden; ich war der einzige in der
Kommission, der alle Bücher las und keinerlei Informationen von den Verlagen
bekam, ausgenommen das, was in den Büchern selbst stand, also die Dinge, die
schließlich in die Schulen gelangen würden.
Die Frage, ob man den Wert eine Buches dadurch
herausfindet, daß man es sich selbst sorgfältig
ansieht, oder dadurch, daß man die Berichte von
vielen Leuten nimmt, die es sich oberflächlich angeguckt haben, erinnert mich
an jenes berühmte alte Problem: Niemandem war es gestattet, den Kaiser von
China zu sehen. Es stellte sich aber die Frage: Wie lang ist die Nase des
Kaisers von China? Um das herauszufinden, geht man durchs ganze Land und fragt
die Leute, wie lang ihrer Meinung nach die Nase des Kaisers von China ist, und
aus den Antworten bildet man den Durchschnitt. Und das Resultat wäre sehr
»genau«, weil man ja die Antworten von so vielen Leuten berücksichtigt hat.
Natürlich kann man auf diese Weise überhaupt nichts herausfinden; wenn sehr
viele Leute Antworten geben, ohne sich 'die Sache sorgfältig anzusehen,
verbessert man sein Wissen von der Situation nicht dadurch, daß
man den Durchschnitt ermittelt.
Anfangs sollten wir nicht über die Kosten der
Bücher sprechen. Es wurde uns gesagt, wie viele Bücher wir auswählen konnten,
und wir entwarfen ein Programm, bei dem viele sich ergänzende Bücher verwendet
wurden, denn alle
391
neuen Lehrbücher
hatten irgendwelche Mängel. Die schlimmsten Mängel wiesen die Bücher über die
»Neue Mathematik« auf: In ihnen gab es keine Anwendungsbeispiele und nicht
genug Textaufgaben. Das Verkaufen von Briefmarken kam nicht vor; dafür war zuviel von Kommutation und abstrakten Dingen die Rede, und
es gab zu wenig Übertragungen auf Situationen des
täglichen Lebens. Was muß man in einer bestimmten
Situation machen: addieren, subtrahieren, multiplizieren oder dividieren?
Deshalb schlugen wir zusätzlich zu einem Lehrbuch für jeden Schüler ein paar
Bücher vor - ein oder zwei für jede Klasse -, in denen solche Dinge behandelt
wurden. Wir hatten es nach vielen Diskussionen geschafft, Vor- und Nachteile
auszugleichen.
Als wir unsere Empfehlungen beim Bildungsbeirat
einreichten, hieß es, es stehe nicht so viel Geld zur Verfügung wie
ursprünglich angenommen, so daß wir die ganze Sache
noch einmal durchgehen und hier und da Kürzungen vornehmen mußten,
wobei wir nun die Kosten berücksichtigten und das einigermaßen ausgewogene
Programm, bei dem für die Lehrer zumindest die Chance bestand, die benötigten
Beispiele zu finden, zunichte machten.
Nachdem man nun die Vorschriften über die Anzahl
der Bücher, die wir empfehlen konnten, geändert hatte und für uns keine
Möglichkeit mehr bestand, etwas auszugleichen, war es ein ziemlich mieses
Programm. Als der Haushaltsausschuß des Senats sich
damit beschäftigte, wurde es noch mehr zusammengestrichen. Jetzt war es
wirklich miserabel! Als der Posten erörtert wurde, wurde ich gebeten, vor dem
Senat des Bundesstaates zu erscheinen, aber ich lehnte ab. Nachdem ich mich so
sehr mit diesem Zeug auseinandergesetzt hatte, war ich es leid. Wir hatten
unsere Empfehlungen für den Bildungsbeirat ausgearbeitet, und ich fand, jetzt
sei es seine Aufgabe, sie beim Senat zu vertreten - was rechtlich gesehen wohl
einwandfrei, politisch aber unklug war. Ich hätte nicht so schnell aufgeben
sollen, aber sich solche Mühe zu geben und so viel über all diese Bücher [392]
zu diskutieren, um ein einigermaßen ausgewogenes
Programm zustande zu bringen, und dann zu erleben, daß
die ganze Sache am Ende fallengelassen wird - das war entmutigend! Das Ganze
war eine unnötige Arbeit, die man anders hätte angehen und umgekehrt hätte
durchführen können: indem man von den Kosten der Bücher ausging und das
anschaffte, was man sich leisten konnte.
Was schließlich den Ausschlag gab und letztlich
zu meinem Rücktritt führte, war, daß wir im Jahr
darauf naturwissenschaftliche Lehrbücher zu behandeln hatten. Ich dachte,
vielleicht sei es bei den Naturwissenschaften anders, und sah mir einige der
Bücher an.
Doch es passierte genau dasselbe: Anfangs machte
manches einen guten Eindruck, erwies sich aber dann als erschreckend. Ein
Buch zu Beispiel fing mit vier Bildern an: auf dem ersten war ein Spielzeug zum
Aufziehen, auf dem zweiten ein Auto, auf dem dritten ein Junge auf einem Fahrrad
und auf dem vierten irgend etwas
anderes. Und unter jedem Bild stand die Frage: »Wodurch kommt die Bewegung
zustande?«
Ich dachte: »Ich weiß, was jetzt kommt. Es wird
von der Mechanik die Rede sein, davon, wie die Federn in dem Spielzeug
funktionieren, von der Chemie, das heißt von der Arbeitsweise des Automotors;
und von der Biologie, vom Funktionieren der Muskeln.«
Mein Vater hatte mit Vorliebe über solche Dinge
gesprochen: »Wodurch es sich bewegt? Alles bewegt sich, weil die Sonne scheint.« Und dann hatten wir unseren Spaß, darüber zu
diskutieren:
»Nein«, sagte ich, »das Spielzeug bewegt sich,
weil die Feder aufgezogen ist.«
»Ja, und wie ist die Feder aufgezogen worden?« fragte er. »Ich habe sie aufgezogen.«
»Und wie kommt's, daß
du dich bewegst?« »Weil ich gegessen habe.«
»Und die Nahrung wächst nur, weil die Sonne
scheint.
393
Also bewegen sich all diese Dinge dadurch, daß die Sonne scheint.« Auf diese
Weise wurde die Vorstellung verständlich, daß
Bewegung einfach die Umwandlung der Kraft der Sonne ist.
Ich blätterte um. Für das Aufziehspielzeug
lautete die Antwort: »Die Bewegung kommt durch Energie zustande.« Und für den jungen auf dem Fahrrad: »Die Bewegung kommt
durch Energie zustande.« Für alles: »Durch Energie.«
Das bedeutet aber überhaupt nichts. Angenommen,
da stünde »Wakalixität«. Das ist das Grundprinzip:
»Alles bewegt sich durch Wakalixität.« Dabei entsteht kein Wissen. Das Kind lernt nichts; es ist bloß ein Wort!
Die Kinder hätten sich das Aufziehspielzeug
anschauen sollen, sehen sollen, daß es darin Federn
gibt, lernen, was es mit Federn und Rädchen auf sich hat, und um die »Energie«
hätten sie sich überhaupt nicht kümmern sollen. Wenn Sie dann wissen, wie das
Spielzeug eigentlich funktioniert, können die allgemeineren Prinzipien der
Energie erörtert werden.
Außerdem stimmt es nicht einmal, daß »es sich durch Energie bewegt«, denn wenn es
stehenbleibt, könnte man ebensogut sagen, »die
Energie bewirkt, daß es stehenbleibt«. Worum es hier
geht, ist die Umwandlung von konzentrierter Energie in schwächere Formen, und
das ist ein sehr spezifischer Aspekt. In diesen Beispielen nimmt die Energie
weder zu noch ab; sie ändert einfach ihre Form. Und wenn etwas stehenbleibt,
verwandelt sich die Energie in Wärme, in allgemeine Unordnung.
Aber so waren eben alle diese Bücher: Was
drinstand, war nutzlos, ging durcheinander, war mehrdeutig, verwirrend und
teilweise unrichtig. Wie irgend jemand
aus solchen Büchern etwas Wissenschaftliches lernen soll, weiß ich nicht, denn
das ist keine Wissenschaft.
Als ich all diese entsetzlichen Bücher sah, mit
denen es den gleichen Ärger gab wie mit den Mathematikbüchern,
394
fürchtete ich, meine Vulkanausbrüche würden wieder
losgehen. Da mich die Lektüre der ganzen Mathematikbücher erschöpft hatte und
ich entmutigt war, weil alle Bemühungen umsonst gewesen waren, konnte ich kein
weiteres Jahr auf mich nehmen und mußte zurücktreten.
Als ich etwas später hörte, daß
das Buch, das alle Bewegung auf Energie zurückführte, dem Bildungsbeirat von
der Lehrplankommission empfohlen werden sollte, unternahm ich einen letzten
Versuch. Bei den Sitzungen der Kommission war die Öffentlichkeit
zugelassen, und es konnten Stellungnahmen abgegeben werden. Ich stand also auf
und sagte, warum ich das Buch für schlecht hielt.
Der Mann, der meinen Platz in der Kommission
eingenommen hatte, sagte: »Das Buch wurde von fünfundsechzig Technikern der
Flugzeugfirma Soundso gutgeheißen!«
Ich zweifelte nicht, daß
die Firma über einige recht gute Techniker verfügte, aber wenn man die Meinung
von fünfundsechzig Technikern einholt, berücksichtigt man ein breites
Spektrum von Fähigkeiten - und damit zwangsläufig auch ein paar Leute, die
fachlich ziemlich schlecht sind! Es war das gleiche wie bei dem Versuch, die
Länge der Nase des Kaisers durch Ermittlung des Durchschnitts zu bestimmen,
oder wie bei der Bewertung eines Buchs, bei dem nichts zwischen den Buchdeckeln
ist. Es wäre viel besser gewesen, wenn man die Firma aufgefordert hätte, die
besseren von ihren Technikern zu benennen, und diese dann gebeten hätte, sich
das Buch anzusehen. Ich konnte nicht beanspruchen, es besser zu wissen als
fünfundsechzig andere Leute - aber besser als der Durchschnitt von
fünfundsechzig anderen Leuten, das ganz gewiß!
Ich schaffte es nicht, den Beirat umzustimmen,
und das Buch wurde genehmigt.
Als ich noch in der Kommission war, mußte ich für ein paar Sitzungen nach San Francisco, und
als ich von der ersten Reise nach Los Angeles zurückkehrte, schaute ich wegen
der Rückerstattung meiner Auslagen im Büro der Kommission vorbei.
395
»Was hat es denn gekostet, Mr. Feynman?«
»Nun, ich bin nach San Francisco geflogen, es
handelt sich also um den Flugpreis und um die Parkgebühren am Flughafen,
während ich fort war.«
»Haben Sie Ihr Ticket dabei?«
Zufällig hatte ich das Ticket dabei. »Haben Sie einen Beleg für die
Parkgebühren?« »Nein, aber das Parken hat 2,35 $
gekostet.« »Aber wir brauchen einen Beleg.«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, was es gekostet
hat. Wenn Sie mir nicht vertrauen, wieso lassen Sie mich Ihnen dann sagen, was
ich an den Schulbüchern für gut oder für schlecht halte?«
Es gab große Aufregung deswegen. Leider war ich
nur daran gewöhnt, für Firmen, für Universitäten und für gewöhnliche Leute
Vorträge zu halten, nicht aber für die Regierung. Ich war es gewohnt, daß man mich fragte: »Was waren Ihre Auslagen?« - »Soundsoviel.« - »Hier haben
Sie Ihr Geld, Mr. Feynman.«
Daraufhin beschloß
ich, ihnen für nichts mehr Belege zu geben.
Nach der zweiten Reise nach San Francisco
fragten sie mich wieder nach meiner Flugkarte und meinen Belegen. »Ich habe
keine.«
»Das kann nicht so weitergehen, Mr. Feynman.«
»Als ich eingewilligt habe, in der Kommission zu
arbeiten, wurde mir gesagt, Sie würden mir meine Ausgaben ersetzen.«
»Aber wir sind davon ausgegangen, daß wir Belege bekommen, um die Ausgaben zu beweisen.«
»Ich habe nichts, um sie zu beweisen, aber Sie
wissen doch, daß ich in Los Angeles wohne und daß ich in die anderen Städte reise; was glauben Sie wohl,
wie ich dahinkomme?«
Sie gaben nicht nach, und ich auch nicht. Ich
finde, wenn man in einer solchen Lage ist, in der man sich entscheidet,
396
nicht vor dem System zu buckeln, muß man die Konsequenzen tragen, wenn es nicht klappt.
Deshalb bin ich durchaus zufrieden, auch wenn mir die Unkosten für die Reisen
nie ersetzt worden sind.
Das ist eins von meinen Spielchen. Die wollen
einen Beleg? Von mir kriegen sie keinen. Dann bekommen Sie aber auch kein
Geld. O. k., dann sollen sie ihr Geld behalten. Die vertrauen mir nicht? Was
soll's; dann bezahlen sie mich eben nicht. Natürlich ist das absurd! Ich weiß
ja, wie die Regierung funktioniert; na ja, zum Teufel mit der Regierung! Ich
finde, Menschen sollten einander wie Menschen behandeln. Und wenn ich nicht
wie ein Mensch behandelt werde, will ich nichts mit ihnen zu tun haben! Das
gefällt ihnen nicht? Dann gefällt's ihnen eben nicht. Mir gefällt das auch
nicht. Dann lassen wir's halt. Ich weiß, sie »schützen den Steuerzahler«, aber
man urteile doch selbst, wie gut der Steuerzahler in der folgenden Situation
geschützt worden ist.
Bei zwei Büchern konnten wir trotz langer
Diskussionen zu keiner Entscheidung kommen; sie lagen in der Bewertung nah
beieinander. So überließen wir die Entscheidung dem Bildungsbeirat. Da der
Beirat jetzt die Kosten berücksichtigte und da beide Bücher so gleichmäßig
abgeschnitten hatten, wurde beschlossen, Angebote einzuholen und das
preisgünstigere anzunehmen.
Dann wurde die Frage angeschnitten: »Werden die
Schulen die Bücher zum üblichen Zeitpunkt erhalten, oder ist es vielleicht
möglich, sie etwas froher zu bekommen, nämlich rechtzeitig zum nächsten
Schuljahr?«
Der Repräsentant des einen Verlages stand auf
und sagte: »Wir freuen uns, daß Sie unser Angebot
angenommen haben; wir können das Buch rechtzeitig zum nächsten Schuljahr
herausbringen.«
Von dem Verlag, der den kürzeren
gezogen hatte, war ebenfalls ein Vertreter da, und er stand auf und sagte: »Da
unsere Angebote auf der Grundlage des späteren Termins
397
eingereicht worden sind, finde ich,-wir sollten die Möglichkeit haben, für den früheren Temin
neue Angebote zu unterbreiten, denn auch wir können diesen Termin einhalten.«
Mr. Norris, der Anwalt aus Pasadena, der im
Beirat saß, fragte den Vertreter des anderen Verlags: »Und was würde es uns
kosten, Ihre Bücher zu dem früheren Termin zu bekommen?«
Er gab eine Zahl an: Und sie lag niedrigerl
Nun stand der Vertreter des ersten Verlags auf:
»Wenn er ein anderes Angebot macht, habe auch ich das Recht, ein anderes
Angebot zu machen!« - und sein Angebot lag noch niedrigerl
Norris fragte: »Wie kommt das - wir erhalten die
Bücher früher, und es ist trotzdem billiger?«
»Ja«, sagte der eine. »Wir können ein spezielles
Offsetverfahren verwenden, mit dem wir normalerweise nicht arbeiten ... « -
eine tolle Ausrede dafür, daß das Angebot niedriger
ausfiel.
Der andere stimmte zu: »Wenn man es schneller
macht, kostet es weniger!«
Das war wirklich ein Schock. Am Ende war es zwei
Millionen Dollar billiger. Norris war über diesen plötzlichen Wandel äußerst
wütend.
Natürlich hatte die Ungewißheit
im Iiinblick auf den Termin die Möglichkeit
eröffnet, daß die beiden Verlagsleute gegeneinander
bieten konnten. Normalerweise gab es, wenn Bücher ohne Berücksichtigung der
Kosten ausgewählt werden sollten, keinen Grund, den Preis zu senken; die
Verlage konnten die Preise festsetzen, wie es ihnen paßte.
Es brachte nichts, sich gegenseitig durch Preissenkungen Konkurrenz zu machen;
man konkurrierte miteinander, indem man die Mitglieder der Lehrplankommission
beeindruckte.
Übrigens kam es bei allen Sitzungen unserer
Kommission vor, daß Verlagsleute Mitglieder der
Kommission zum
398
Essen einluden, um mit ihnen über ihre Bücher zu
sprechen. Ich bin nie mitgegangen.
Heute scheint es klar zu sein, aber damals wußte ich nicht, was los war, als ich von der
Postgesellschaft Western Union ein Päckchen mit Trockenfrüchten und anderem
Kram geliefert bekam, dem eine Mitteilung beilag: »Ihnen und Ihrer Familie zum
Erntedankfest - von Ihren Pamilios.«
Es war von einer Familie aus Long Beach, von der
ich noch nie gehört hatte - offenbar von jemandem, der das einer befreundeten
Familie schicken wollte und sich im Namen und in der Adresse vertan hatte. Ich
dachte, es sei besser, den Irrtum aufzuklären, fragte bei Western Union nach,
bekam die Telephonnummer des Absenders und rief dort
an.
»Hallo, mein Name ist Feynman. Ich habe da von
Ihnen ein Päckchen bekommen ... «
»Oh, hallo, Mr. Feynman, hier ist Pete Pamillo« - und er sagt das so freundlich, daß ich denke, eigentlich müßte
ich ihn kennen! Bei mir dauert es immer so lange, bis der Groschen fällt, daß ich mich an manche Leute nicht erinnern kann.
Deshalb sagte ich: »Es tut mir leid, Mr. Pamillo, aber ich kann mich nicht recht erinnern, Ihre
Bekanntschaft ... « Wie sich herausstellte, vertrat er einen der Verlage, dessen
Bücher ich in der Lehrplankommission zu beurteilen hatte.
»Ich verstehe. Aber das könnte mißverstanden werden.« »Es ist
bloß eine Sache unter Familien.«
»Schon, aber ich muß
ein Buch beurteilen, das Sie verlegen, und da könnte es doch sein, daß jemand Ihre Freundlichkeit falsch auslegt!« Ich wußte, was vorging, aber
ich tat so, als sei ich ein völliger Idiot.
Etwas Ähnliches passierte, als mir einer der
Verlage eine lederne Aktentasche schickte, auf der in hübschen Goldbuchstaben
mein Name stand. Ich erzählte ihnen dasselbe: »Ich kann das nicht annehmen; ich
beurteile einige der Bücher, die Sie verlegen. Mir scheint, Sie verstehen das
nicht!«
399
Ein Mitglied der Kommission, das ihr schon sehr
lange angehörte, sagte: »Ich nehme das Zeug nie an; es ärgert mich ungemein.
Aber es geht einfach so weiter.«
Aber eine Gelegenheit habe ich wirklich verpaßt. Hätte ich bloß schnell genug geschaltet, dann
hätte ich eine sehr angenehme Zeit in dieser Kommission verbringen können. Ich
kam abends in San Francisco im Hotel an, um am nächsten Tag an meiner
allerersten Sitzung teilzunehmen, und beschloß, noch
ein wenig in der Stadt herumzulaufen und etwas zu essen. Ich kam aus dem
Fahrstuhl, und auf einer Bank in der Vorhalle des Hotels saßen zwei Typen, die
aufsprangen und sagten: »Guten Abend, Mr. Feynman. Wo gehen Sie hin? Gibt es
etwas in San Francisco, das wir Ihnen zeigen können?«
Sie waren von einem Verlag, und ich wollte nichts mit ihnen zu tun haben.
»Ich gehe essen.«
»Wir können Sie zum Essen einladen.« »Nein, ich möchte allein sein.«
»Nun, ganz gleich, was Sie möchtc
a, wir können Ihnen behilflich sein.«
Ich konnte es nicht lassen und sagte: »Also, ich
gehe aus, um mich in die Nesseln zu setzen.«
»Auch dabei können wir Ihnen wohl behilflich
sein.« »Nein, ich glaube, darum kümmere ich mich schon
selbst.« Und dann dachte ich: »Was für ein Fehler! Ich
hätte all dem seinen Lauf lassen und ein Tagebuch führen sollen, dann hätten
die Staatsbeamten von Kalifornien feststellen können, wie weit die Verlage
gehen!« Und als ich die Sache mit dem Preisunterschied
von zwei Millionen Dollar erfuhr, wurde ja klar, was die für einen Druck
machen!
Für ‚Ehemalige‘, bis Eltern, ist es ja oft ‚irgendwie noch schlimmer‘ … Bereits auf der Straße, als die frühere „Lehrerin ihr charakteristisches ‚Funk!‘ rief, hätte ich um Haaresbreite einen Knicks gemacht, obwohl ich 36 war, und nicht mehr zwölf“ Jahre alt. (Vgl. Doris Jannausch: ‚Mustergatte abzugeben‘, 1999)
Das didaktische Problem (d.h. genauer die Frage i.e.S.) besteht
· Sachlich/inhaltlich zwar darin, dass Sie als lehrende Person, durch die Probleme, die Ihre Schüler mit dem Fach, nehmen wir etwa die Chemie, oder dem Gegenstand haben, etwas für Sie als Lehrendem 'Neues' (idealita) über/von Chemie lernen sollten. Was bekanntlich, gar falls Sie bereits besonders viel von Chemie verstehen, sowohl sehr leicht als auch nur sehr schwer möglich sein kann; was wiederum nur insoweit paradox ist, als sogar gleichzeitig bzw. in/an der selben Sache beides auftreten kann. Doch hat dies schon viel mit
· der eigentlicheren Aufgabe, und kaum (bis nichts) mehr mit der Sache bzw. Chemie als Naturwissenschaft – zu tun. Die Herausforderung ist die (sogar sehr) persönliche, das diese 'Chemie' erträglich sein/werden soll bis müsste, und besteht darin, Vertrauen meiner Schüler/innen in mich als lehrendem Menschen zu gewinnen: Damit sie mir idealerweise kritisch interessiert überhaupt einmal, und gar wiederholt. auf das/dem/das Feld der Chemie folgen – bekanntlich erfordert ja nichts so viel ernstliches persönliches Vertrauen, wie sachgerechte Kritik (und zwar bezogen auf alle beteiligten Seiten). – Wozu Lernende immer nur 'motivierend angereizt', aber mit und durch nichts auf und aus der 'Welt' (und gleich gar nicht durch/von Logik) gezwungen werden können. Und zwar weil dies (sogar gegenseitig) freiwillig (und keine Lehrkraft hat die qua Berufswahl und/oder fachlicher Qualifikation auf beiden Ebenen schon 'ein für alle Mal' erledigt – um von der Scvhülerseite erst gar nicht zu beginnen) erfolgen muß (und sogar bereits durch subtile, unbeabsichtigte Gewaltanwendungen, als Fremdmotivationsmittel in seinem Kerngehalt nicht vollständiger Verzwecktheit des und der Menschen bedroht ist).
Den eben beschriebenen 'Zustand' als gegeben zu unterstellen, oder als jederzeit und für alle (einklagbar) garantiert einführen, zu s/wollen hat ja allerlei utopisches, zumal im negativen Sinne dieses Begriffs, an sich. – Gleichwohl bleibt einem derart menschennahen Leitbild nachzujagen, nicht die dümmste, und nachweislich keine unrealistische, Idee. (Lehrkräfte zu exzellenten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auszubilden, reicht dafür allerdings eben so wenig hin, wie die – bei weitem nicht immer vergebliche – Hoffnung auf 'intrinsiche' Motivation aus Sachinterrsse, seitens der Studenetenschaft. – Zumal dieses oft - so groß es auch sein mag bzw. gerade dann, erschreckend leicht, beiläufig, unintendiert und von beiden Ebenen aus – kaput-zu-[be]lehren ist.)
Die beiden, jedenfalls mit und in Bezug auf die aktuelle (idealita eher) mit Ihnen zusammen (als immerhin von Ihnen) lerrnenden Menschen, entscheidenden Aufgaben der Lehrenden bestehen (gar im qualifizierenden Unterschied zu Belehrenden) erstens darin, die Lernenden in 'die künftige Welt' zu bringen, und zweitens, nicht weniger bedeutsam darin, sich selbst als Lehrende für die Lernenden überflüssig zu machen. Beides nicht nur in tailoristischen Schulsystemen bzw. um, gar umfassende, bis vollständige, Kenntnisvermittlung – die oft auch noch mit Wissen i.e.S. interveriert/gleichgesetzt wird – durchaus bemühten Verfahrensweisen, mindestens ignoriert, wo nicht bekämpft, bis vermieden, werden sollen bis müssten.
Einerseits, insbesondere
weil die/se) 'Welt', namentlich durch optimierte Anpassung des und der Menschen an ihre Vorfindlichkeiten, eigentlich bis in (vor allem) Tat und (zumindest damit/deren) Wahrheit
so bleiben soll bzw. werde (da sie es müsse)
wie sie gerade höchst gefärdeterweise sei.
Und andererseits weil es vor
allem weil das Delegieren der Kenntnisbeschaffung, gar an Fachleute, die
eigenen Verantwortlichkeiten (selbst für deren Verwendung) so raffiniert zu
verdecken, und insbespndere eher anstrengungsarem
bzw, mittels/für Gehorsams-( statt
Denk-)Leistungen erhaltbare Vernittlung, möglich und erwünscht erscheint.
Hauptsache des Menschen 'Magistor nterior' (Augustinus) sein inneres LaMeD
kommt nicht zum Bewusstsein oder gar Vorschein.
LaMeD למד |
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Lernen durch Lehren auch Wikipedia Portal. bzw. das aktuelle kanadische Konzepts: „Niemand kann junge Nenschen zum Lernen bewegen, wenn er nicht selbst ständig mit lernen befasst ist. Deshalb ist es in Kannada verboten, dass die Lehrer, bis zur 8. Klasse, Fächer unterrichten, die sie selbst universitär studiert haben.“ Ältere Konzepte insbesondere der Auslegung heiliger Schriften des Judentums sind eher noch stärker/näher an der Einsicht vom allenfalls geringen Unterschied zwischen, mehr oder weniger erfahrenen, Lernenden hinsichtlich ihres Status, zumal dem Absoluten gegenüber.
Das Lamed lässt sich auch als zusammengesetztes Zeichen aus Kaf und Waw betrachten, was die wesentlichen Aspekte
· des wirklichen Verbindens des Vav: Wirkliche Menschen UND wirkliche Vorstellungen UND wirkliche Handlungen sind wirklich, weil sie voneinanber getrennt sind. Immer um ihre Einmaligkeit bemüht. Denn nur wer einmalig ist, kann verbunden werden. - Uns alle und Alles in Myriaden von Konstellationen zu vereinen, wobei alle getrennt bleiben und jeder dem anderen verbunden ist. Aus der Notwendigkit sich vorzustellrn bzw. bekannt zu machen vi'du'a wird (durch Verblassen des Ayin-Hauchs) in der Bewahrheitung vidu wird (mit einem Jud) durch Sicheren vadaj wollen wird (bereitsanhand geänderter Vokale) das Geständnis bzw. Sündenbekenntnis viduj fällig.
Hinzufügt.
Nein, einfacher ist auch O.G.J.‘s professionelles Selbstverständnis kaum zu haben:
Ich verstehe, und definiere, mich als Mensch – das heißt /error is
human/ ich mache Fehler, und bei weitem nicht alle in didaktischer Absicht
– auch welche aufgrund/in Folge von ‚Behinderungen‘. – Weitaus mehr jedoch als
‚längst nicht ausgelernt habend‘, und sich/mich
gleich gar ‚nicht für vollkommen haltend‘!
Ich halte sehr viel von Fragen, gehe
zudem nicht von der Existenz / Möglichkeit dummer Fragen
aus (falsche, und – wen/wann auch immer – störende, gibt es hingegen
durchaus, sogar ‚dumme‘, bzw. so aussehende, und sogar überhaupt nicht-gebare, Antworten).
Doch eine, selbst/gerade denen, die sie stellten
(davor/dabei/danach) ‚dumm‘ vorkommende Frage/Antwort ist ein,
womöglich wertvoller, Einblick in deren, bis anderer Leute davon abweichende,
Denkprozesse.
/an(och)i/ I am – ich bin:
thinker (in
a sense: [p]hilosopher) by passion
no, it's 'more' than
that – it is thinking as a/the whole (intellectuality
– if you like) nothing – more especially feelings or
other emotions and physical sensations
etc. included – takes place without thought (we could be aware of much more often).
it is more than rationality and irrationality together - or better: it's something else,
there seems to be (some) emergenz, admittedly (I'm) an academic, but one
who makes a point of it: that he (and
this) isn't just a (natural) scientist.
(I'm a researcher in the fields of human
brain, medical care and education, not only by practice, too.)
[s]ociologist by necessity
Ein bekannter, wenigstens
aber wichtiger, Gelehrter (indeed
a sage ZaDiK צדיק) brachte die Handlungsnotwendigkeit zur/der Selbstbezeichnung als Mensch, auf
den ‚Punkt‘, die Konsequenz/‚Formel‘: Er wende
sich als Mensch an Menschen und sage/bekenne von sich, er habe keine
Lehre, aber
er führe ein Gespräch, er weise
hin.
Und Martin Buber formulierte auch noch weiter aus wie: Er führe Menschen an's Fenster, stoße es auf und zeigen ihnen Realitäten (da draußen). Und ja er wolle beeinflussen, doch nicht, so dass sich jemand beeinflusst (oder gar getäuscht; O.G.J.) fühlt.
[p]olitical scientist by
(incidentally – adv. a) (by the way) nebenbei [bemerkt]; b) (by
chance) zufällig; c) (as not essential)
am Rande – public) interest
Bereits ein überlieferter ‚alter Römer’ bedauerte, ‚nicht für das Leben, sondern für die Schule zu lernen‘ (vgl. Epistulae morales 106,12.). Dass/Wo ‚dieses‘ klassische (als) Seneca-Zitat (antik und bis) heute, brav genau gegenteilig umgekehrt «Non scolae, sed vitae discimus» gepaukt, falls nicht sogar eher ‚inhaltlich‘ diszipliniert weiter so herum erwartend/unterstellend ab- äh nachgefragt, wird – spricht, verrät, durchaus einiges, immerhin systemisches.
Hilfsleher/innen-Tätigkeiten, weniger(1) wäre(!) es ja (und mehr gelingt ohnehin) nicht – ein berühmter Grieche hat ‚die‘ (jedenfalls seine, ‚philosophische‘) Fragemethode immerhin schon mit Geburtshilfekünsten verbunden gesehen – und manche entwickeln ihre ‚sogenannte ‚Schüler-Lehrer‘-Beziehungsrelationen des KaMeD למד gar zum ‚einander, im Gespräch, gegenseitigen an Dine und Ereignisse erinnern, die sie eigentlich bereits kennen, in aktuell betreffenden Zusammenhängen‘ fort,
sind/bleiben anspruchsvoller als (solche) Wortkonzepte / Begrifflichkeiten manche, manchmal vermuten lassen mögen: Zwar haben /mora(h) mesaje‘a/ und /more(h) mesaje‘a/ מורהמסיע mem-(waw)-resch-he (mem)-samech-jud-ajin je, immerhin ‚unterstützend‘ / ‚nachhelfend‘, beinahe etwas ‚messianisches‘ im Nahmen(sklang – auch und zumal wenn jenes weniger gnostische Erlösungsaspekte, als solche wechselseitig aussöhnenden Vergebens, bis Umsinnens, statt etwa Vergessen, repräsentiert); doch brauchen sie unseren Blick auf, hinter und für, gar wechselnd asymetrische Spannungsverhältnisse jenes /ezer/ עזר ajin-zajin-resch nicht verstellen, oder unterschlagen: Das/Was mit/als ‚Helfer/in‘ (so ja, nicht ‚erst‘ Martin Luther, bereits in/ab Genesis 2:18+20 etc.), weder völlig falsch, noch irgendwie (zumal für/an ‚Macht‘ und/oder ‚Stärke‘) hinreichend umfassend, übersetzt/verstanden werden kann. Deren qualifizierter Definition(en) hier ohnehin eher auf ‚Geduld‘ plus ‚Gelassenheit‘ basieren, als auf ‚der Kräfte Macht‘ und gar ‚Gewalt(tat)en‘ ver- bis angewiesen, also beschränkt, würden/wären.
[Doch irret Euch (deswegen / darüber) bitte nicht …]
Wir, zumal als ganze Gesellschaft(en), tun uns keinen Gefallen, solange und wo wir unsere Forschenden, besser honorieren und/oder höher ansehen, als die Lehrenden (vgl. Jehude Elkahna); diese Bereiche (etwa Humbolds) überhaupt auseinander, bis widereinander auf, bringen. – Für das / Vom Lehren werden mehr (immerhin talmudisch sind 48 aufgeführt) Fähigkeiten benötigt / gefordert, als (talmudisch immerhin bereits königlichen 30 und 24 priesterlichen) für die, und von den, nächst anspruchsvollsten Tätigkeiten: dem ‚weisen Verwalten‘ / ‚guten Regieren‘. |
«Na bitter schen, ma‘ sagt jo nix – ma‘ red jo blos davo.» |
Wir sollten / müssen uns (so etwa bereits Niel Postman) nicht täuschen / suggerieren lassen, dass ‚die Diktatoren und Tyrannen verschwunden‘ wären, wo/weil sie ihre / sich die Methoden (zumal von offensichtlichen Anwendungen restriktiver Gewalt – in/zu persuasiven Anreizen, bis einen eher einsichtig überzeugenden und sogar beteiligenden, Herrschafts-Verfahren) ändern. Weder eine gegenwärtige Gesellschaft, noch die Menschenheit, können schadlos darauf warten, dass/bis/ob hinreichend viele/alle verhaltensfaktisch qualifiziert klug/weise handeln. |
Sie haben die Wahl: Ist sie schwarz-weiss, unsere Welt, oder doch eher blau? |
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Goto project: Terra (sorry still in German) |
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